Was für ein Glück wäre es, dieses Buch zu lesen ohne den Namen Gabriel Garcia Marquez zu kennen! Man hielte einen heiteren, kleinen Roman in den Händen und folgte der Protagonistin Ana Magdalena Bach bei einem jährlichen Ritual und den daraus resultierenden Missgeschicken. Denn die Hauptfigur legt an jedem 16. August Blumen auf dem Grab ihrer Mutter nieder und muss dazu – das ist wichtig! – eine Tagesreise auf eine Insel unternehmen. Hinreißend erzählt Garcia Marquez, wie die zu Beginn 46 Jahre alte Frau am achten Todestag den Schritt tut, „der ihr in ihrem ganzen Leben nicht einmal im Traum eingefallen wäre, und sie tat ihn ungeniert“ – einen Seitensprung. Hinreißend erzählt Garcia Marquez, wie Frau Bach ab dann die Beziehung zu ihrem Ehemann (Konservatoriumsmusiker und Charmeur alter Schule) hinterfragt. Hinreißend erzählt er, wie Frau Bach die Reise nun jedes Jahr mit demselben Hintergedanken antritt. Hinreißend wird erzählt, wie Ana Magdalena vor dem Hintergrund hinnehmen muss, dass ihre 18 Jahre alte Tochter Nonne werden will. Und mit absolut trockenem Humor besticht das Finale: Frau Bach lässt die sterblichen Überreste ihrer Mutter exhumieren und „sagte auf immer Adieu zu den Unbekannten einer Nacht“. Wie gesagt: Ein heiteres Buch voll subtilem Witz über eine Frau in den besten Jahren und die Unwägbarkeiten des Lebens.
Wehmut empfinden allenfalls Fans des kolumbianischen Literatur-Nobelpreisträgers (1927 bis 2014). Wer die großen Werke wie „Hundert Jahre Einsamkeit“ oder „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ schätzt, bemerkt feine Unterschiede. Dort sind die Figuren schillernder, die Handlungen stringenter. Nicht umsonst sorgte „Wir sehen uns im August“ für Diskussionen, weil die Söhne des Schriftstellers das Buch aus dem Nachlass gegen den erklärten Willen des Vaters veröffentlichten. Und trotzdem: Ein Hoch auf Ana Magdalena Bach und Gin mit Eis und Soda, ihr Lieblingsgetränk!
Hier finden Sie die weiteren Bücher von Gabriel García Márquez im Bestand der Stadtbücherei.