Soll kein Leser behaupten, er wäre nicht schon per Vorbemerkung vom Verfasser höchstselbst auf das Dilemma des Buches hingewiesen worden: „Dies ist ein Roman, obwohl es für einige seiner Figuren reale Vorbilder gibt. Sie und die hier geschilderten Ereignisse sind fiktionalisiert sowie alle weiteren Charaktere frei erfunden.“ Beim realen Vorbild handelt sich um Erich Kästner (1899 bis 1974), Tobias Roller malt sich einen tatsächlich stattgefundenen Sanatoriumsaufenthalt Anfang der 1960er Jahre im Tessin aus. Zuvor war bei dem so bekannten wie (wegen seiner Rolle im Nationalsozialismus) lange umstrittenen Schriftsteller Tuberkulose diagnostiziert worden. Parallelen zum viel dickeren „Zauberberg“ von Thomas Mann sind offensichtlich und kein Zufall, unterrichtet Roller doch im Hauptberuf Deutsch am Gymnasium. Soweit die Ausgangslage. Die geschilderten Ereignisse bleiben dagegen pure Spekulation: Gespräche Kästners mit ihn verehrenden Patientinnen, Kästners Zusammenbrüche aufgrund seiner Erkrankung und/oder Alkohol oder Kästners Ausbrüche aus dem Kuralltag. Was den „Gold Hügel“ (kein Schreibfehler!) dann trotz vieler Unschärfen 50 Jahre nach dem Tod des Schriftstellers lesenswert macht? Der Roman beschreibt die Zwänge, denen der für Bücher wie „Emil und die Detektive“ oder „Das fliegende Klassenzimmer“ berühmte Autor wohl zeit seines Lebens unterlag. Es zeigt sein schwieriges Verhältnis zu Frauen. Es verdeutlich einmal mehr, dass jemand Ruhm und Erfolg in hohem Maß erwerben und trotzdem zutiefst einsam sein kann. Wer Kästner bisher nur vorm Hörensagen kannte, findet einen Einstieg. Kästners Leben vor oder während der NS-Diktatur stellt allerdings die große Lücke im „Gold Hügel“ dar. Die Kinderbücher bildeten schließlich nur eine Facette des Werks; als einer der wichtigsten Publizisten der Weimarer Republik zählte Kästner nicht ohne Grund zu den von den Nazis verfemten Autoren.

Christian Wanninger
Christian Wanninger

Pressesprecher der Stadt Erding