Zwei Bemerkungen vorne weg: Wer keine dicken Bücher mag oder mit religiösen Themen wenig bis gar nichts anfangen kann, darf diesen Text gerne sofort zur Seite legen und kann es sich schenken, das rund 1200 Seiten starke Werk der polnischen Literatur-Nobelpreisträgerin überhaupt in die Hand zu nehmen …

Leser/-innen dagegen tauchen mit den „Jakobsbüchern“ ein in eine schier unglaubliche Vielfalt (vergangener) Kosmen: in ein polnisches Kaff namens Rohatyn, in Smyrna (dem heutigen Izmir) und damit ins osmanische Reich, in Lemberg und Warschau, in Wien und in Offenbach und schließlich auch in verschiedene Orte in den Weiten Mitteleuropas. Und das sind nur die wichtigsten Schauplätze … Die Handlung beginnt im Jahr 1752 und endet im Kern 1816, mit einem Ausläufer bis 1944. Olga Tokarczuk erzählt in dem historischen Roman die Lebensgeschichte von Joseph Frank (1726 bis 1791), einer schillernden Figur in der Geschichte des Judentums. Frank konvertierte zum Islam und Christentum, scharte Anhänger um sich und baute in seinem unmittelbaren Umfeld einen Kreis auf, der stark einer Sekte ähnelte.

Alle abenteuerlichen Wendungen zeichnet die Nobelpreisträgerin nach: Wie Frank sich um politische Protektion durch verschiedene Potentaten bemühte (darunter der polnische König August III., die österreichische Kaiserin Maria Theresia und ihr Nachfolger Joseph II.), die Verurteilung zur Festungshaft, sein Exil oder das Taktieren der katholischen Kirche und des polnischen Adels bis hin zu deren Verstrickungen in Pogrome. Olga Tokarczuk beleuchtet die (natürlich strikt getrennten) gesellschaftlichen Schichten und erläutert die (zugegeben komplizierten) religiösen Hintergründe. Wie heute geht es um Macht, Geld und Einfluss. Frank stirbt in Schulden und Tochter Eva wird (angeblich) zur Geliebten des österreichischen Kaisers … Glanz und Elend liegen wie im richtigen Leben nah beieinander.

Christian Wanninger
Christian Wanninger

Pressesprecher der Stadt Erding