Eins ist klar: Ein Buch, dessen Handlung 1935/36 in Italien spielt und dessen Erzähler ein „Konfinierter“, also Verbannter ist, kann nur einen politischen Inhalt haben. Doch – und das ist der Kniff an „Christus kam nur bis Eboli“ – der italienische Faschismus unter dem „Duce“ Mussolini bildet nur die Kulisse. Politisch wird der Roman aufgrund ganz anderer Umstände. Denn Levi schildert die unüberwindliche soziale Kluft zwischen armen Bauern auf der einen und dem (verschieden großen) Bürgertum auf der anderen Seite. Noch heute schimmert der Gegensatz durch in der Unterscheidung vom „reichen“ Norden und „armen“ Süden Italiens.
Deswegen erfüllt das Buch rein gar kein heute gängiges Klischee über der Deutschen liebstes Reiseziel. Von katholischer Prägung zum Beispiel weist der fiktive Ort der Handlung, „Gagliano“, nicht den Hauch einer Spur auf. Die Dorfbewohner bleiben dem Sonntagsgottesdienst fern und Pfarrer Don Trajella „hatte sich so an den Schmutz in seiner Einsamkeit gewöhnt, dass er ihm nicht mehr auffiel“. Die von bitterer Armut geprägte Weltanschauung der Bauern basiert auf Magie; Zaubersprüche, der Glaube an Hexen und andere magische Wesen sind feste Bestandteile des Alltags. Diese archaische Kultur schildert Levi mit großer Sympathie. Die Schilderungen beruhen übrigens auf eigenem Erleben. Der Arzt, Maler und Schriftsteller war 1935 wegen seines antifaschistischen Engagements tatsächlich in ein malariaverseuchtes Scheißkaff (man muss das so deutlich sagen, mehr dazu gleich) in der heutigen Basilicata verbannt worden. Seine Unterkunft beschrieb der Autor unter anderem so: „Es gab dort ein Klosett, ohne Wasser natürlich, aber ein richtiges Klosett mit Porzellansitz. Es war das einzige seiner Art in Gagliano, und vermutlich hätte ich auf hundert Kilometer Entfernung kein andres gefunden“. Keinen Spott, bitte! So lange ist das auch bei uns noch gar nicht her.