Wenn ein Buch mit einer unglücklichen Liebe beginnt und von einem verlassenen, Bücher verkaufenden Onkel sowie einer schwerkranken Tante handelt, dann klingt das alles nach gewaltigem Kitsch. Umso schöner ist es deshalb, dass der japanische Bestseller keine Spur davon enthält oder süßlich danach müffelt. Die asiatische Kunst der Zurückhaltung scheint hier zu Sprache verdichtet. Selbst als die zentralen Figuren auf Happy Ends zusteuern (Ich-Erzählerin verliebt sich neu, Onkel und Tante kommen wieder zusammen) drückt Yagisawa nicht auf die Tränendrüse und hält die Erzählung damit realistisch.
Ob der Dreh- und Angelpunkt der Handlung aber wirklich in einem Antiquariat liegen muss, steht auf einem ganz anderen Blatt. Mit der Buchhandlung Morisaki schuf der Autor eine eingängige Kulisse und Metapher – das Bild einer anderen, besseren, vielleicht längst untergegangenen Welt. Denn wer liest heute noch und wenn auf Papier? Die alten Bücher, das Tokioter Buchhandlungsviertel Jinbocho und die geduldige Arbeit des Antiquars stehen im grellen Gegensatz zum hektischen, volltechnisierten Leben nicht nur von Tokio, sondern unserer Zeit. Yagisawa gibt Leserinnen und Lesern einen zarten Wink mit dem Lesezeichen und eine leise Empfehlung – nämlich sich in Bescheidenheit zu üben und auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Für den Autor sind es Freundschaft und Liebe. Diese Erkenntnis gewinnt die Ich-Erzählerin in einem mit Büchern vollgestopften Zimmer im ersten Stock der Buchhandlung, das kaum genug Platz zum Schlafen bietet. Man hat Menschen schon bequemer lesen sehen. Aber allein die Vorstellung (Bücherstapel, kein Handy, jede Menge Zeit) fühlt sich jenseits aller fernöstlichen Philosophie für jeden bücherschätzenden Menschen sehr verführerisch an!

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