„Die verbrannten Dichter“ im November 2023 zu empfehlen, liegt auf der Hand: Vor genau 100 Jahren nahm mit dem Hitler-Putsch in München eine Entwicklung deutlich sichtbar ihren Lauf, deren Folgen für das kulturelle Leben in Deutschland Jürgen Serke so beklemmend wie nachdrücklich beschreibt. Dazu stellte der Journalist Ende der 1970er Jahre für das Hamburger Magazin „Stern“ von den Nationalsozialisten verfolgte und ins Exil getriebene Schriftsteller vor. Auf dieser Reportagen-Serie beruht das Buch. Serke beschränkte sich allerdings nicht auf die Recherche in Bibliotheken und Archiven, sondern suchte die Autoren, ihre Kinder, Ehepartner oder Freunde auf (sofern sie mehr als 30 Jahre nach Kriegsende noch lebten) und dokumentierte ihre Einsamkeit, Verzweiflung und zum Teil prekären Existenzen. An den Folgen von Berufsverbot und Flucht litten alle Betroffenen für den Rest ihres Lebens und weit über 1945 hinaus. Zu den Porträtierten zählen bekanntere Namen wie Ernst Toller und Erich Mühsam, heute vollständig unbekannte wie Armin T. Wegner oder Alfred Henschke (alias „Klabund“) – und Irmgard Keun. In der Weimarer Republik mit 21 Jahren als kommender Star gefeiert, kehrte sie während des Nazi-Regimes nach Deutschland zurück, überlebte es und starb 1982 in Köln. Literaturliebhaber kennen sie heute als Lebensgefährtin des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth.
Die verfemten Autoren vor dem Vergessen bewahrt zu haben, bleibt der Verdienst von Serke und Fotograf Wilfried Bauer, da die Texte im „Stern“ mit üppigen Bildstrecken aus historischen und aktuellen Aufnahmen versehen waren. Darüber hinaus enthält das Buch eine umfassende Literaturliste mit den Werken der genannten Schriftsteller und Beiträgen über sie. Jetzt hat der Wallstein Verlag das ursprünglich 1977 erschienene Buch neu herausgebracht. Sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch die Gestaltung ist die Publikation eine Ausnahmeerscheinung.